Madame

198 Seiten|Prospekte|20.11 - 31.12.2013Angebot abgelaufenAktuelle Prospekte Angebote in Woosmer

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REISE
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SEEBAD-NOSTALGIE 1 „Pretty Eccentric“ ist eine von rund 300 Fashion- und Vintage-
Boutiquen im hippen North-Laine-Viertel von Brighton. Eine Fundgrube für Bräute,
Ball-Besucherinnen und Oldtimer-Fans 2 Der Laune eines exzentrischen Bauherren
entsprang der berühmte Brighton Pier. Heute ist er eine der Attraktionen des Seebades
mit vielen Restaurants, Ständen und quirliger Jahrmarktatmosphäre 3 „The
Grand Hotel“ ist die wohl exklusivste Luxusherberge an der Promenade von Eastbourne,
die Zimmer erinnern an die goldenen Zeiten des britischen Bäder-Tourismus
ihr Tagebuch: „Ich sehe, was man daraus machen kann,
Dornröschens Schloss.“ Sie legte einen ganz und gar weißen
Garten an – voller Callas, Tulpen, Rosen, Margeriten und
Holunderblüten. Ließ um Säulen, Terrassen und Bänke Clematis,
Akelei und Windröschen ranken. In ihrer Zeitungskolumne
gab sie Hobbygärtnern den Tipp, Blumensamen
nicht etwa akribisch auszusäen, sondern einfach wild hinter
sich zu werfen. Mit der Revolution des gesellschaftlichen
Lebens gewann nämlich auch die Wende im Grünen an
Rasanz. Immer stärker wurde die geometrische Harmonie
der traditionellen französischen Barockgärten von den sogenannten
englischen Gärten verdrängt: behutsam inszenierten,
ganz natürlich wirkenden Grünanlagen. Sissinghurst
Castle, über dessen Schönheit inzwischen der National
Trust wacht, besitzt einen der meistbesuchten Gärten in
England. In Vitas Arbeitszimmer im Turm von Sissinghurst
stehen noch die gerahmten Porträts von Harold Nicolson
und Virginia Woolf, mit der sie eine Liebesbeziehung hatte.
Die liebliche Region im Süden Englands mit ihrem in allen
Grünschattierungen leuchtenden Patchwork aus sanften
Hügeln und saftigen Wiesen verwandelten skurrile Landlords
und später wohlhabende Londoner in eine perfekte
Parklandschaft. Gesäumt von Tausenden Kilometern sogenannter
Hedges – angelegten Grenzen aus maximal mannshohen
Schlehen, Dornenbüschen und anderem widerspenstigem
Grünzeug. Man braucht schon ein wenig Überwindung,
um sich – im wahrsten Sinne des Wortes – als Zaungast auf
der linken Seite der schmalen, oft abschüssigen Landstraßen
durch diesen Dschungel zu bewegen. Aber man wird
reich belohnt. Die heile Landschaft mit ihren molligen Schafen
und schwarz-weiß gefleckten Kühen, die verschlafenen,
um verwitterte Kirchtürme gedrängten Dörfer und die Städtchen
mit ihren Teestuben, Pubs und Antiquitätenläden
wirken allesamt wie Drehorte einer Rosamunde-Pilcher-
Schmonzette. Kein Wunder, dass sich hier seit den
1960er-Jahren englische Rockstars wie Paul McCartney, Eric
Clapton und Brian Ferry Fluchtburgen schufen.
In Sussex und dem benachbarten Kent trifft man überall auf
alte Herrensitze und Schlösser des englischen Landadels.
Die Mehrzahl der Earls und Dukes beziehungsweise deren
Nachfahren sahen sich allerdings unter der Last der Erbschaftssteuer
früher oder später gezwungen, ihre Anwesen
dem National Trust zu überlassen. Mit Wohnrecht auf Lebenszeit
und der Auflage, einen Teil ihrer Räume Besuchern
zugänglich zu machen. Als eine Art Gesamtkunstwerk erlebt
man Goodwood Estate in West Sussex, ganz in der Nähe
des Bilderbuchstädtchens Chichester. Herzstück des riesigen
Landsitzes ist Goodwood House, der Wohnsitz von
Lord March. An mehreren Tagen des Jahres hat man die
FOTOS: Christine von Pahlen (1); Visit Britain/Jasmine Teer (1); Leigh Simpson (1)
MADAME 8/2013

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STILVOLL Das Opernfestival
von Glyndebourne
wäre sicher nur halb so
schön ohne seine traditionellen
Picknickpausen
FAMOS:
MIT EINEM
OLDTIMER
CRUISEN –
CHAMPAGNER
IM GEPÄCK
Gelegenheit, in seinen Räumen Tee zu trinken, eine London-
Ansicht von Canaletto und Gemälde des berühmten englischen
Tiermalers George Stubbs zu bewundern. Der Rennleidenschaft
des Großvaters von Lord March ist es zu
verdanken, dass es hier außer einer privaten Pferderennbahn
auch eine Formel-1-Strecke gibt. Bis in die späten
1960er-Jahre lieferten sich hier Motorsportlegenden
wie Stirling Moss
oder Fangio heiße Rennen. Heute
treffen sich Oldtimer-Fans zu Paraden
und Revivals. In diesem Jahr
haben sie einiges zu feiern: den 20.
Geburtstag des Festivals of Speed im
Juli, den 50. des Porsche 911 und den
10. der neuen Rolls-Royce-Manufaktur.
In dem nach allen Regeln des
Umweltschutzes in die Landschaft
integrierten Gebäude lief im Juli 2003 das erste Serienfahrzeug
vom Band. Motoren und Karosserien liefert BMW aus
München, in Goodwood folgt die Feinarbeit.
Wer keine dieser Luxuskarossen besitzt, jedoch gerne mal
ans Steuer möchte, leiht sich für einen oder zwei Tage ein
Auto aus der reich bestückten Oldtimer-Kollektion des
„Goodwood Hotels“. Selbstverständlich mit einem Picknickkoffer
auf dem Rücksitz. Zum glanzvollsten Ereignis des
Jahres, dem traditionellen Goodwood Revival, erwartet man
die Herren im korrekten Anzug und die Damen in „period
clothing“ – vom stylish-nostalgischen Seidenkleid bis zum
taillierten Tweedkostüm. Auf jeden Fall mit Hut.
Im Süden von England kann man sich in einer guten Handvoll
exquisiter Landhotels für kurze Zeit fühlen wie seinerzeit
echte Ladys und Lords. Das schönste von allen heißt
„Gravetye Manor“, ein stattliches Herrenhaus
in einem wundervollenn Garten
in der Nähe des Marktfleckens
East Grinstead. Bei schlechtem Wetter
nimmt man den High Tea am Kamin.
Bei gutem macht man ein Picknick am
See. Apropos: Während des jährlichen
Opernfestivals werden die Musikliebhaber
unter den Gästen nach Glyndebourne
chauffiert – mit eisgekühltem
Champagner im Picknickkorb. Wer
sich nach dem Meer sehnt, verbringt ein paar Tage in
Brighton oder im benachbarten Eastbourne, dem eleganteren
der beiden Seebäder. Brighton wurde aus drei Gründen
für die Londoner Society begehrenswert: wegen der Schwärmerei
eines gewissen Dr. Richard Russell für die Heilkraft
des Meeres, wegen des Baus einer direkten Eisenbahnverbindung
und der Idee des späteren King George IV., sich in
dem ehemaligen Fischerdorf einen orientalisch-mondänen
Royal Pavilion bauen zu lassen.
CHRISTINE VON PAHLEN

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