Z die schönen Seiten

objetdedÉsir
Foto:hans-jörgwalter
Mehr als heisse Luft
Weshalb es nichtimmer aufdenInhalt ankommt.
Eine fotografische Inszenierung von Hans-JörgWalter
Es soll Menschen geben, die ihre Wohnzimmerwände mit falschen
Buchrücken schmücken. Buchrücken, die in goldenen
Letternverkünden, dass man in den Büchern, die sie angeblich
zieren, etwasüber Madame Bovary, einen jungen Werther oder
Zauberberge erfahre. Doch hinter den entzückenden Rücken
klafft nichts als eine gähnende Leere aus billigem Karton. Viele
würden sich eine solche Dreistigkeit wohl nie erlauben, schrecken
jedoch nicht davor zurück, Bücher ins Regal zu stellen, in
denen man tatsächlich blättern kann, deren Inhalt ihnen aber
weitgehend unbekannt ist. Schliesslich kann, wer etwas auf
sich hält, nicht ein ganzes Möbel mit Kristalltieren und Familienfotos
füllen. Undvor der Leere des Regals fürchten sich mindestens
so viele Menschen wie vor der Entdeckung ihrer
Bildungslücken. Guthat es, werdas Büchergestell«Enam» sein
eigen nennen darf. Der Entwurf der Schweizer Designer Inch
Furniture ist von einer solch eigenartigen Gestalt, dass man das
Gestellimersten Moment eher für eine Skulptur aus dem Völkerkundemuseum
als für ein Möbelstück halten mag. Vorallem
aber möchteman es auf keinen Fall mit Dingen füllen, die seiner
eleganten Erscheinung nicht gerecht werden. Undwenn es
doch sein muss, dann nur mit Luft. Nicht mit jener heissen
Luft, die manch schönen Buchrücken umweht. Doch mit einer
Luft, die dem Betrachter den Blick auf die wesentlichen Dinge
nicht verstellt. David Streiff Corti
● DasRegal «Enam» von Inch Furniture aus geöltem Teak ist für
5450 Franken bei Westflügel in Zürich erhältlich;www.westfluegel.ch
«z –die schönen seiten» ausgabe 2/13 7