Pleamle Magazin

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Samyi: Eine filmische Uhr zu kreieren und damit
einen „alten“ Weg in eine neue Zeit, an
einen Ort der Zeitlosigkeit zu bringen, ist eine
wunderschöne Idee. Die Videoinstallation
„Römerzeit“ in der „Grotte“ der Therme ist eine
mystische Wanderung und verführt in eine
andere, vollkommen entschleunigte Welt. Du
veränderst so das subjektive Zeitempfinden
noch einmal ganz bewusst. Auch bei den beiden
anderen Videoinstallationen Aqua Zeit I
und Aqua Zeit II ist Zeit das zentrale Thema.
Hat dich die intensive Auseinandersetzung
mit der Zeit selbst entschleunigt?
Steiner: Trotz der Verlangsamung von Zeit
mittels Highspeed-Kamera-Technik hat es
mich in der Arbeit „Römer Zeit“ stark beschleunigt.
Die Krux liegt daran, dass ich
nichts verfälschen oder manipulieren wollte.
Ziel war es, in meiner Arbeit über diesen alten
magischen Ort, ohne jeglichen Filmschnitt
auszukommen.
Nach dem Schärfen und Auslösen wurde
die Kamera nicht mehr berührt, nur mehr
geführt. Eine präzise One Shot Aufnahme
über die Römerstraße ist mit der Dauer von
60 Minuten schon eine Aufgabe. Diese Herausforderung
kann gut klappen, weil aber
die Römerstraße in meiner Arbeit zudem als
Uhrwerk inszeniert wurde, verteilten sich die
Aufgaben auf mehrere Punkte die es zu koordinieren
galt: Der Betrachter schwebt filmisch
über den Römerweg und kann sich in den
Bildern und Eindrücken verlieren. Die Szenen
wirken durch ihre sanfte Entschleunigung
mystisch bis märchenhaft. Verstärkt wird
dieser Effekt der Mystifizierung durch eine
Verschränkung der Filmoptik zur digitalen
Bildebene. Doch plötzlich beginnt das Unerwartete,
Unwahrscheinliche, im 15 Minu-
ten Takt wandere ich durch diesen Ort dem
Betrachter entgegen, wie ein Minutenzeiger
einer Uhr der immer wieder an den Zahlen
streift. Beim Durchwandern trage ich am
Körper die römischen Zahlen I bis IV in Serie.
Die Schriftzeichen zeigen dabei die jeweilige
Viertelstunde an. Zur richtigen Zeit ohne einen
filmischen Schnitt aufzutauchen bedeutete
für mich ganz schön schnell rennen zu
müssen um mein Team und die Kamera auch
weitläufig umrunden zu können. Christina
Berger, eine befreundete Designerin aus Villach
hatte Know-how aus der Modebranche
parat: Sie brachte eine Packung Slipeinlagen
fürs unter die Achsel geben. Ein angeblicher
Geheimtipp aus der Modebranche um Sakkos
am Laufsteg vorm Schweiß des Trägers zu
schützen ...
Samyi: Die Videokunst/Installation hält nicht,
wie die Fotografie den Moment fest, sie bewegt
ihn. Wie sieht dein Weg zur Videokunst
aus?
Steiner: Videokunst ist die Kunstform die Momente
oder Prozesse anhand von vielfältigen
Techniken in unterschiedlicher Handschrift
der Künstler gestalten kann. Ist sie interaktiv
ausgelegt, gibt sie die Handlungsweise an
den Betrachter weiter. In Interaktion tretende
Arbeiten lösen dabei einen eindimensionalen
Ablauf auf und geben die Steuerung des
Inhalts, wenn sie gut gemacht sind, an den
Benutzer weiter. Harmlose und schlechte interaktive
Medienkunst besteht nur mehr aus
diesem nonlinearen Eingriff. Das ist dann aber
für mich nur Lego-Technik spielen und veranschaulicht
meistens nicht mal die Hebelwirkung
beschaulich.
Im Mittelpunkt dieses Mediums steht kurzgefasst
immer eine Handlung A nach B.
Die Fotografie fängt einen Moment oder einen
Prozess ein und lässt ihn aber nicht mehr
los. Bei guter Fotografie wird dann der Weg
von A nach B im Betrachten weitergeführt.
Beide Kunstformen sind sich im Ausdruck oft
ähnlich. Auch wenn sie untereinander den
Paradigmenwechsel und damit die Vorherrschaft
für jeweils sich beanspruchen möchten.
Man braucht dazu nur Kodak aus dem
Jahr 1889 zitieren: „You press the button, we
do the rest“. Dieser Satz wird von Fotografen
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gerne als das Ende der Vormachtstellung der
Malerei bezeichnet. In Wirklichkeit war es die
große Chance um sich erst von einer alten
„Dienkunst“ weiterentwickeln zu können. Daher
sollten die unterschiedlichen Künste als
Geschwister „netter“ miteinander umgehen.
Samyi: Gibt es einen speziellen Ort für dich,
der dich besonders reizen würde ihn mit deinen
Videoinstallationen auf weiteren Ebenen
begehbar und bestaunbar zu machen?
Steiner: Am Beginn einer Arbeit ist der Ort
immer mein Thema. Ich probiere mich auf
die jeweilige Aufgabe einzulassen, mich mit
der Situation zu verbinden. Ich probiere mit
dem jeweiligen Ort in Synergie zu treten, die
Auflösung davon ist dann die fertige Arbeit.
Alle neuen Orte reizen mich, weil ich mich
auf sie immer wieder neu kalibrieren muss.
Öffentliche Orte reizen mich, weil sie keinen
elitären Zugang zur Kunst bedeuten. Die
Medienkunst hatte ihre Anfänge mitunter in
der Öffentlichkeit. Sie fand etwa in Parks statt,
wo Bildhauer einen Kübel Wasser ausschütteten
und diesen Prozess mit Hilfe der ersten
Schwarzweiß-Kameras ästhetisch auflösten. Die Medienkunst fand aber auch in Mitten von
Städten statt, wie die Arbeit von Peter Weibel, der sein Video Synthesis an einer stark befahrenen
Kreuzung performte.
Ein öffentlicher Platz oder Ort ist auch das Fernsehen. Das Thema habe ich beispielsweise in
meiner Arbeit “Fernsehwandertag“ aufgegriffen. Soziale Netzwerke im Internet sind auch öffentliche
Orte nur mit dem Unterschied einer Zugangsberechtigung und der permanenten
Überwachung. Facebook funktioniert wie eine “gated community“ in der sich betuchte Pensionisten
abseits der Wirklichkeit eine neue noble Umwelt schaffen, ihre eigene Realität. Dort, also
im Netz bin ich auch gern unterwegs und gebe meinen Senf dazu. Dort bin ich dann wie das
freche Enkerl das in eine dieser geschlossenen Wohnanlagen zu Besuch kommt und die Ruhe
stört. Das reizt mich.
Samyi: Eine Therme mit Videoinstallationen zu bespielen ist eine schöne Herausforderung und
eine gute Möglichkeit in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Ein Trend, der für Videokünstler sehr
wichtig ist. Was bedeutet für dich Anerkennung?
Steiner: Wenn man davon absieht, dass ich als wandelnder Uhrzeiger auf 32 Quadratmetern
Fläche über den Römerweg spaziere, habe ich im Vorspann auf den Namen des Künstlers verzichtet.
Bewusst, im Vordergrund ist vielmehr das Bauwerk und die Architektur zu stellen. Ich
möchte die Therme nicht mit unsensiblen Bildern zuklatschen, sondern mit der Arbeit nur eine
kleine kongeniale Beigabe schaffen.
Die Arbeiten sollen subtil und vom Künstler losgelöst bei den vielen Gästen über die nächsten
Jahre eine positive Stimmung und eine angenehme Atmosphäre auslösen. Es war für mich
eine besondere Anerkennung zu diesem nicht üblichen Projekt eingeladen worden zu sein.
Die Freude bei diesem Projekt ist noch größer weil es sich um die Heimatstadt handelt.
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