Madame

PSYCHO
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glaubt, dass die Beziehung nur funktioniert, wenn er stark
ist … Am Ende gehen beide mit dem schlimmen Gefühl
auseinander, dass nun alles gesagt ist, außer, wie es denn
jetzt bloß weitergehen soll. Und mit der brennenden Frage:
Bin ich überhaupt noch konsequent oder vielleicht schon
längst stur geworden, ohne es zu merken?
Was kann man tun, um sich Klarheit zu verschaffen? Man
kann in Gedanken mit dem großen Zeh eine dicke Linie in
den Sand ziehen, die eine Grenze markiert, zwischen Themen,
bei denen es um die Sache geht, und solchen, bei
denen es einem eigentlich um etwas ganz anderes geht: wer
der Überlegene in der Beziehung ist. Kein konsequenter,
sondern ein stur geführter Kampf, den keiner von beiden
gewinnen kann, denn den Überlegenen gibt es in einer Beziehung
nicht. Überlegen bin ich immer, wenn der andere
etwas von mir will: Sex, Gespräche,
„EIN STÖRRISCHER
ESEL
BRAUCHT EINEN
STÖRRISCHEN
TREIBER. “
gemeinsam Pläne machen – was immer
es ist, ich entscheide, ob ich es
ihm gewähre oder auf stur schalte
und ihn im Regen stehen lasse. Das
kann mir umgekehrt genauso gehen,
bei allem, was mir wichtig ist,
was ich mir wünsche und was nur
zusammen mit meinem Partner in
Erfüllung gehen kann.
Diesen Kampf zu beenden ist nicht
leicht, weil Sturheit immer mit einer
gehörigen Portion Wut einhergeht
und Wut einer der heftigsten Impulse ist, die wir im Repertoire
haben. Sie explodiert förmlich im Bauch, schießt wie
eine Rakete hoch ins Hirn und blockiert sofort jeden klaren
Gedanken außer diesem einen: Dir werde ich’s zeigen!
Allerdings sind Impulse äußerst anfällig für kleine Psychotricks:
Sobald man einen von ihnen in sich wahrnimmt:
sofort den Raum oder den Ort wechseln, den Impuls mit
einem klaren „Nein“ oder „Hau ab“, „Verschwinde“ oder
was auch immer (der verbalen Fantasie sind da keine Grenzen
gesetzt) des Feldes verweisen, einmal kräftig durchatmen
und wieder zurück zum Geschehen. Eine Methode, die
bezeichnenderweise an das australische Erziehungsprogramm
„Triple P“ (Positive Parenting Program) angelehnt
ist, mit der man sehr erfolgreich Zwei- bis Dreijährige in
ihrer Trotzphase in den Griff kriegen kann. Also, Impuls
weg, durchgeatmet, zurück zum Thema. Und dann? Dann
gibt es diese eine, sehr schlichte, aber sehr bedeutsame
Frage, mit der man sich das Leben insgesamt und natürlich
auch die Liebe erheblich erleichtern kann, sie lautet: Kann
ich das, was mich so ärgert, ändern oder kann ich es nicht?
Denn natürlich ist es stures Verhalten par excellence, sich
AUS DEM ORIENT
an etwas abzuarbeiten, was nicht zu ändern ist. Wir werden
als leidenschaftlicher Frühaufsteher aus einer Nachteule an
unserer Seite in diesem Leben keinen gut gelaunten, fröhlich
pfeifenden Mitstreiter für beherzten Sechs-Uhr-Morgenlanglauf
machen. Wir werden konsequent daran scheitern,
von einem Menschen Spontanität einzufordern, der nichts
so sehr braucht, wie mittel- bis langfristige Planungssicherheit.
Und niemand wird aus einem Rhythmus-Legastheniker
einen geschmeidigen Tangotänzer machen. Das
bedeutet ja nicht, die eigenen Bedürfnisse zu verleugnen,
es bedeutet nur, dass diese nicht vom Partner erfüllt werden
können, sondern vielleicht gemeinsam mit guten Freunden.
Setzt man sich einmal an den Schreibtisch und macht eine
Liste solcher „Grundeinstellungen“, mit denen der Partner
quasi ab Werk angeliefert wurde, kann man sich für den
Rest des Lebens mit einem Federstrich
eine gigantische Menge völlig nutzlos
verpulverter Energie schenken. Ein gigantischer
Befreiungsschlag ist das.
Die frisch gewonnene Energie wird
man allerdings brauchen, um sich den
Dingen zu widmen, die man sehr wohl
ändern kann, nicht mehr stur, sondern
sehr konsequent, weil im Einklang mit
der eigenen Haltung und im Hinblick
auf ein gemeinsames Ziel. Insofern ist
es mehr als konsequent, auf Gesprächen
zu bestehen, wenn der Liebste
sich Konflikten mit der 3-Wort-Methode („Ich hab nichts“
bzw. „Es ist nichts“) zu entziehen versucht. Diese Forderung
konsequent auf Wiedervorlage zu bringen, lohnt jeden
Aufwand, weil es dazu gar keine Alternative gibt. Und
weil Beharrlichkeit und Ausdauer immer zum Erfolg führen,
vorausgesetzt, das Ziel lässt sich überhaupt realisieren.
Bleibt am Ende die Frage, was zu tun ist, wenn der Lebensmensch
trotz sachlicher Ansprache nach erfolgreicher Impulskontrolle,
trotz Verzichts auf Machtkämpfe und trotz
des guten und sicheren Gefühls, dass dieses Verhalten mit
Ausdauer und Beharrlichkeit zu ändern wäre, sich konsequent,
geradezu stur, weigert, die Käsekruste aus dem Ofen
zu entfernen? Tja, da ist guter Rat teuer. Könnte es vielleicht
sein, dass dieser Mann in allen anderen Lebenslagen das
große Los ist, ein Geschenk des Himmels sozusagen, wenn
nur die Sache mit der Tiefkühlpizza nicht wäre? Ja? Na,
dann könnte man vielleicht über den Schatten aller
Prinzipien springen und sich völlig inkonsequent und im
krassen Gegensatz zu allen Überzeugungen die Gummihandschuhe
überstreifen und mit mildem, verzeihendem
Lächeln selbst zu Hammer und Meißel greifen. MARK KUNTZ
MADAME 8/2013

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