mbeat

68 Seiten|Müller|1.1 - 31.1.2014Angebot abgelaufenAktuelle Müller Angebote in Neresheim

Kommentare Text Suche

Seite 62

Kino | Features 12 Years A Slave Solomon Chained Nach Tarantinos Pulp-Western widmet sich der nächste Oscar-Kandidat der Sklaverei: Unerbittlicher und realistischer, als das manchem Zuschauer lieb sein wird. 100 Bpm Seit seinen ersten Aufführungen auf den eher herbstlichen Filmfesten des Jahres war die Filmkritik sich einig: Steve Mcqueens erschreckendes und erschreckend großartiges Sklavendrama wird Ende Februar neben „Gravity“ zu den ganz großen Oscar-Kandidaten zählen. Und das, obwohl der britische Regisseur und Künstler nicht gerade dafür bekannt ist, Publikumskino mit Feelgood-Faktor zu machen. Im Gegenteil: Schon die beiden mit Michael Fassbender inszenierten Vorgänger „Hunger“ (über den Hungerstreik eines Ira-Häftlings) und „Shame“ (über das Drama eines sexsüchtigen Mannes) boten emotional, künstlerisch und fast schon physisch herausforderndes Kino, das Mcqueen mit „12 Years A Slave“ sogar noch toppen kann. Basierend auf dem vor 160 Jahren erschienenen autobiografischen Roman von Solomon Northup, erzählt „12 Years A Slave“ von einem Martyrium, das als beispielhaft für das Schicksal von Sklaven im Amerika des 19. Jahrhunderts gelten darf. Mit 30 Jahren wird Hauptfigur Solomon (Oscar-Reif: Chiwetel Ejiofor), ein eigentlich freier Mann, hier verschleppt, unter Drogen gesetzt und versklavt. Nur der Beginn einer volle zwölf Jahre währenden Tortur, während der Solomon von einem unfassbar brutalen Sklaventreiber in die Hände des nächsten gegeben wird und dennoch nie die Hoffnung auf ein irgendwann freies Leben verliert. Angesichts der abscheulichen Strapazen und Foltern, denen er u. a. bei Paul Dano, Paul Giamatti und Michael Fassbender ausgesetzt ist, ein kleines Wunder. Ein großes Wunder hingegen ist der fertige Film, der den Zuschauer wie ein Schlag in die Magengrube niederstreckt und so erschütternd ist, dass man ihn eigentlich nicht sofort noch einmal sehen möchte. Was nicht nur an der entsetzlich wahren Geschichte liegt, sondern auch an den Darstellern, die ihr ein Gesicht geben: Von Ejiofor über Fassbender, Giamatti und Dano bis hin zu Benedict Cumberbatch rufen unter Mcqueens Regie wirklich alle Beteiligten absolute Höchstleistungen ab. Und machen diese zwölf Jahre jetzt schon zu einem der großen Filmhighlights des vergangenen bzw. laufenden Jahres. Und zu einem der schmerzhaftesten … ss 12 Years A Slave | Tobis / Usa 2013 | Regie Steve Mcqueen | Darsteller Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Paul Giamatti | Filmstart 16.01. 62

Seite 63

Features | Kino Le Passé Das Vergangene 90 Bpm Die Vergangenheit und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart, das ist ein Topos, der sich nicht nur inhaltlich durch den neuen Film des iranischen Ausnahmeregisseurs Asghar Farhadi zieht - er lässt sich auch auf seine jüngste Werkfolge anwenden. Hatte er im zu Recht Oscar-Gekrönten Meisterwerk „Nader und Simin - Eine Trennung“ noch eine Ehe mitsamt ihren Auflösungserscheinungen (spiegelbildlich zur iranischen Gesellschaft) im Blick, geht sein Blick für „Le Passé“ inhaltlich und geografisch noch ein Stück weiter. Nach Frankreich nämlich, wo der Iraner Ahmad seine baldige Ex-Frau Marie (Bérénice Bejo) sowie seine Stieftöchter besucht, um endlich die Scheidungspapiere zu unterzeichnen. Jene lebt mittlerweile mit einem anderen und dessen Sohn quasi unter einem Dach - eine Konstellation, die zu Konflikten führt. Mit den Töchtern, die Ahmad immer noch über alles schätzen und der Mutter aufgrund ihrer neuen Beziehung argwöhnisch gegenüberstehen. Mit dem Nachfolger Samir, dessen Noch-Ehefrau seit Monaten im Koma liegt. Und schließlich mit Marie, die zwischen zwei Männern an ihren Schuldgefühlen zu zerbrechen droht. Dass das Farhadi zu keinem Moment kitschig oder sozialrealistisch aus dem Ruder laufen lässt, sondern wie eine raffinierte und sensibel beobachtete Versuchsanordnung durchexerziert, das ist abermals einer der eindrucksvollsten Aspekte seiner außergewöhnlichen Arbeit. Neben den großartigen Darstellern, die wirklich jede der beteiligten Figuren nachvollziehbar und lebendig werden lassen. cb Le Passé - Das Vergangene | Studiocanal / F 2013 | Regie Asghar Farhadi Darsteller Bérénice Bejo, Tahar Rahim | Filmstart 30.01. The Wolf Of Wall Street American Psycho 90 Bpm Ein Schelm, wer „Wall Street“ meets Bret Easton Ellis dabei denkt! Aber Martin Scorseses neueste Thriller-Farce, basierend übrigens auf den tatsächlichen Memoiren eines windigen Finanzjongleurs, lässt ausuferndwiderliches 80er-Yuppietum auf härtesten Bad-Banker-Wahnsinn treffen und dürfte zur bislang unterhaltsamsten Zusammenarbeit des Dreamteams Scorsese/dicaprio werden. Und das bei einer Lauflänge von knapp drei Stunden. Die sind aber auch schnell gefüllt mit der Erfüllung des Lebenstraumes von Jordan Belfort (Dicaprio), der als unerfahrener Frischling ins New Yorker Börsengeschäft einsteigt und sich im Verlauf der 80er-Jahre zu einem der erfolgreichsten und abgeschmacktesten Broker des Landes entwickelt. Das geht einher mit einem Lebensstil, der ohne Rücksicht auf Verluste, Minderheiten oder Frauen dem puren Luxus verschrieben ist, einem Luxus, der nicht immer mit legalen, geschweige denn moralisch integren Mitteln erworben worden ist. Weshalb bald auch das Fbi gesteigertes Interesse am „Wolf Of Wall Street“ entwickelt. Dass trotz der Verortung in den 80ern die Stoßrichtung klar gen Das Entertainment Magazin von Börsen- und Broker-Exzesse der jüngeren Vergangenheit weist, ist ebenso klar wie die Handschrift Scorseses, die diesen amerikanischen (Alb-)Traum zum flott geschnittenen Abgesang auf eine widerlich übertriebene Philosophie des „Geld regiert die Welt“ werden lässt. cb The Wolf Of Wall Street | Universal / Usa 2013 | Regie Martin Scorsese | Darsteller Leonardo Dicaprio, Jonah Hill, Matthew Mcconaughey | Filmstart 16.01. 63