Z die schönen Seiten

DESIGN
DER KLASSIKER
Sessel ausderZukunft
Als ob er geahnt hätte, dass ihm nicht
viel Zeit vergönnt sein würde, stürzte
sich Cesare Colombo in die Arbeit. Einer
Ausbildung zum Maler und Bildhauer
liess der 1930 in Mailand Geborene ein
Architekturstudium folgen. Seine wahre
Liebe fand «Joe» jedoch im Möbeldesign.
Die Umstände waren günstig, in Italien
hattesich seit den fünfziger Jahren eine
produktive Designszene gebildet, die mit
Achille Castiglioni, GioPonti und Ettore
Sottsass über herausragende Exponenten
verfügte. Undder Wettlauf ums Weltall
lieferte den geistigen Hintergrund, um
sich auf dasLeben in der Zukunft zu
konzentrieren. Genau dies tat Joe
Colombo. Er ersann utopische Städtemodelle,
entwickeltefuturistische
Interieurs und experimentierte mit
neuen Produktionsverfahren und
Materialien wie Fiberglasund PVC.
Seinen Sessel «4801» entwarf er allerdings
aus gebogenem Holz. Dass ihn der
Möbelhersteller Kartell, der auf Kunststoff
spezialisiertist, nun im entsprechenden
Material anbietet, kann als
Hommage an den Visionär Colombo
verstanden werden. Er starb 1971 an
seinem 41.GeburtstaganHerzversagen.
Gelebt hatteJoe Colombo so, wie er
gearbeitet hatte–ohne Rücksicht auf
Verluste. David Streiff Corti
● www.kartell.it
JoeColombos
«Poltrona 4801» ist
in Schwarz und
transparent für
2136Franken bei
TeoJakob erhältlich;
www.teojakob.ch
MEIN DING
Singen im Regen
FÜNF TIPPS FÜRS LEBEN
Daniel Gafner
FOTOS: PD
Manchen soll schon ein «supercalifragilisticexpialidocious»
entfahren, wenn sie
einen gewöhnlichen Regenschirm erspähen.
Zumindest jenen, die 1964 gebannt im
Kino sassen und sich von der Welt eines
singenden Kindermädchens namens Mary
Poppins, dasmit einem Schirm fliegt, ver-
zaubern liessen. Heisst ein Schirmständer
nun gar «Mary P», spürt selbst, wer nicht
zur Tagträumerei neigt, ein bisschen Luft
unter den Füssen. Oder er beginnt, eine
eingängige Melodie zu pfeifen. Und all
jenen, die bei diesem Namen aufgrund
ihres jugendlichen Alters eher an eine amerikanische
Rapperin denken oder aufgrund
ihres fortgeschrittenen Alters überhaupt
keine Assoziationen mehr bilden, bleibt
immerhin dasStaunen über den «phantastischen
Pragmatismus» der schwedischen
Designerin EvaSchildt. Oder mit welchen
Worten sollteman ihre Idee sonst bezeichnen,
das heruntertropfende Wasser aus
den zugeklappten Regenschirmen einfach
mithilfe eines grossen Schwammes aufzusaugen?
Mary Poppins wäre unvermittelt
ein «supercalifragilisticexpialidocious»
über die Lippen gekommen, denn zur
richtigen Anwendung ihres absurden
Wortkonstrukts meinte sie nur: «Something
to say when you don’t know what
to say». (das.)
● EvaSchildts Schirmständer «MaryP»
von DesignHouse Stockholm ist für
269 Franken bei Holm in Zürich erhältlich;
www.holmsweetholm.ch
Daniel Gafner,nach welchen Kriterien
ordnet man eine Bibliothek?
1. In einer öffentlichen Bibliothek
haben alle Bücher ihren festen Platz.
2. Spannend wird es aber erst, wenn man
dasBuch neben dem gesuchten Titel
entdeckt.
3. Interessant ist die «dynamisch»
geordneteKunstbibliothek Sitterwerk.
4. Privat ist die Organisation nach
Farben eine ansprechende Lösung.
5. Egal, wie sie geordnet sind, Bücher
wollen umgedreht, aufgeschlagen
und beschnuppertwerden.
● www.postfossil.ch
Designer Daniel Gafner lebt in Zürich.
«z –die schönen seiten» ausgabe 2/13 13